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Beobachtungen ... ohne Kaffee

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Registrieren bitte … Foto Doris Behm

Wein und Corona

Meine Mutter versteckte früher den Eierlikör in der Anrichte. Wenn sie sich alleine wähnte, gönnte sie sich ein Gläschen. Es war eine wilde Zeit. Wir drei Bälger, so dicht hintereinander, als hätte man uns im Abo bestellt, und der Vater, der ständig auf Achse war und wenn er heimkam, doch das Sagen behielt.

Vielleicht hat sich meine Mama auf diese Weise den Mund gestopft?

Und so drückte sie wohl auch uns einen Keks in die Hand, wenn wir traurig waren, uns ein Kummer quälte. Manchmal hören Kinder dann auf zu weinen, auch wenn der Trost nur oberflächlich sein kann.

Trink noch ein Gläschen Wein, sagen sie auch heute zu mir, wenn ich jammere, dass mir Corona das Leben schwer macht. Wenn mich Sorgen, Zweifel und Ängste anspringen wie breughelsche Dämonen, derer ich mich nicht erwehren kann. Sicher, sie meinen es gut mit mir, doch die Wahl der Worte ist verräterisch. Wenn der Diminutiv für eine große Sache angewendet wird, sollte man hellhörig werden; immerhin enthält Wein bis zu 14 % Alkohol.

Ich schenke mir ein.

Ich schenke mir randvoll ein.

Ich liebe Wein.

Ich bin in einer Weinanbaugegend groß geworden und wenn sie dort auch gutes süffiges Bier brauen, das allerorts getrunken wird, bin ich nie zu Hopfen und Malz konvertiert.

In vino veritas, sagt man, und ich suche auf den Grund meines Glases, das kein Gläschen ist, sondern ein Glas, nach dem Tropfen der Wahrheit dieser Coronatage.

Die Wahrheit lautet schlicht, dass ich manchmal am liebsten alles vergessen würde. Dass ich mir Frieden wünsche und ein bisschen Ruhe. Darum trinke ich. Weil Wein den Puls dämpft und die Sinne vernebelt, bis sie nicht länger aufgespannt sind wie Stahlfedern, kein quecksilbriges Vibrieren, sondern eher das Schnurren einer Katze, die sich sanft auf meinem Schoß zusammenrollt.

(Dagmar Petrick)


Als ich mich am 16. September 2020 mit K. zum Essen traf, erfuhr ich, dass dies der letzte Tag ist, an dem ich in Sachsen-Anhalt meine Kontaktdaten im Restaurant hinterlassen musste. Dank dieser Zettel wurde mir bewusst, wie oft ich ein Lokal aufsuchte.

Zweisamkeit … Foto Doris Behm