Tapetenwechsel
Ludwigsburg, den 27. November 2020
Liebe Do,
es fiel mir in den letzten Tagen schwer, mit den Ereignissen Schritt zu halten, und wenn ich auch nie aufgehört habe, zu schreiben, so machte sich doch meinerseits zumindest auf diesen Seiten bei den Briefen ein Schweigen breit. Heute versuche ich es zu durchbrechen – mit einem Gedicht.
Ich grüße Dich herzlich!
Deine Dagmar
Hals über Kopf
Die Malermeisterin hängte die Tapeten auf.
Nun steht der Vogel Kopf,
baumelt häuptlings an den Zweigen
zwischen Granatäpfeln,
Blätter vorm Schnabel,
ein waghalsiger Akt.
Ich will nicht meckern (ich sage es der Malermeisterin nicht),
doch ich frage mich schon,
wie lange hält er es durch, auch wenn
die Welt längst in Schieflage kreist.
Es ist kein Geheimnis,
die Nachrichten verkünden es täglich,
dass manches anders geworden ist.
Man sagt, es sei nützlich bisweilen, die
Tapeten zu wechseln, weil mit dem
Wechsel der Tapeten auch
die Perspektiven sich änderten.
Kunststück, wenn einem
nicht schwindelig wird dabei.